A puppet in front of a party

Die Macht der Spiele

Seine Geschichte begann mit einem Ende. Ein Wochenende mit Freunden lag hinter ihm und nun machte er sich auf den Weg nach Hause. Die letzten Tage waren erholsam gewesen. Sie hatten sich ein Ferienhaus gemietet und die Zeit hauptsächlich mit Spielen und witzreichen Unterhaltungen verbracht. Er hatte sich so frei wie schon lange nicht mehr gefühlt, frei von Sorgen und Ängsten, frei von dem Druck, der sonst jeden Tag so schwer auf ihm lastete. Vor allem aber frei von dem Druck, den er sich selbst machte. Es war sein Ehrgeiz und seine Ziele, die ihn ständig zur Arbeit trieben. Es war das Wissen über seine ungenügenden Fähigkeiten, das ihm keine ruhige Minute gönnte und stattdessen immer in seinem Hinterkopf zu spüren war. Doch all diese Zwänge wurden an diesem Wochenende entfernt. Sie wurden ersetzt durch eine kindliche Umgebung, in der Spiele und die gemeinsame Zeit im Vordergrund standen. Nun war diese Zeit zu Ende und er verabschiedete sich von seinen Freunden. Er verstaute seine Sachen im Kofferraum seines Wagens, winkte noch einmal zum Abschied und stieg in das Auto. Schon das Geräusch des anspringenden Motors versetzte ihm einen tiefen Stich. Er wusste nicht genau warum. Seine Gefühle waren immer noch auf einem Hoch, bis jetzt fühlte er sich frei und hatte die Gedanken an sein alltägliches Leben weitgehend verdrängt. Er fuhr die Einfahrtsstraße entlang und bog dann auf die Hauptstraße ab. Mit jedem Meter, den er zurücklegte, spürte er jedoch das Anschwellen eines unbestimmten Gefühls. Seine Atmung wurde flacher und sein Hals schnürte sich zu. Das schmerzhafte Stechen war nun einem flauen Gefühl in der Magengegend gewichen, er fühlte sich auf einmal schwach und krank. Er fuhr noch ein Stück und hielt den Wagen dann in einer kleinen Parkbucht an. Er ließ das Fenster herunter und atmete die kalte Abendluft tief ein und aus.

Er wusste nun, was es für ein Gefühl war. In seinem Inneren herrschte der bekannte Krieg, den er schon öfter mit sich ausgetragen hatte. Es war ein Kampf zwischen dem Gefühl des sorgenfreien Daseins und seinen Alltagsgefühlen, die nun langsam, aber sicher wieder in seinen Körper fluteten. Diese Alltagsgefühle hatte er am Wochenende in fiktiven Welten ertränkt. Er und seine Freunde waren der realen Welt entkommen, indem sie ihre Zeit mit verschiedensten Spielen verbrachten. Sie hatten sich selbst betäubt, indem sie jegliche Gedanken an ihren Alltag verdrängt hatten und sich ganz und gar dem hier und jetzt gewidmet hatten. Doch nun war diese Zeit vorbei und die Betäubung des Selbst wurde bestraft durch eine Rückkehr des Alltags. Die Sorgen der realen Welt kehrten ganz plötzlich mit voller Wucht zurück, sie überrannten die Stellungen der sorgenfreien Welt und machten die Glücksgefühle zunichte. Er musste tief schlucken und spürte, wie ihm die Tränen in die Augen schossen. Warum musste dieser Gefühlskrieg immer wieder ausbrechen? Warum konnte er die Freiheit, die er an diesem Wochenende verspürt hatte, nicht in seinen Alltag mitnehmen? Warum mussten all das Glück und die Freude nun durch Sorgen, Stress und Ängste ersetzt werden? Er wollte umkehren, er wollte sein grausames Dasein ein für alle Mal in einem Leben aus Spaß und Freiheit ertränken. Er wollte sich den Sorgen des Alltags in eine fiktive Wunschwelt entziehen und sich selbst betäuben. Sein inneres Auge zeigte ihm die Bilder des vergangenen Wochenendes, die vielen schönen Momente, in denen sie gemeinsam gelacht hatten. Er spürte die Unbefangenheit und den puren Spaß, den er die letzten Tage gehabt hatte und ein weiteres Mal breitete sich ein wohliges Gefühl in ihm aus. Doch fast gleichzeitig wurden diese Gefühle wieder schlagartig verdrängt. Mit einem scharfen Stich kehrte die Aussicht auf sein alltägliches Leben zurück. Es war ein Todeskampf des Glücks, der in seinem Inneren ausgetragen wurde. Das Glück wurde durch die Dornen des Alltags erstickt und versuchte immer wieder verzweifelt die Oberhand zu gewinnen.

Was wäre, wenn er sein Leben einfach nur mit Spielen verbringen würde? Was wäre, wenn er jeden Tag aufs Neue eine völlig sorgenfreie Zeit mit seinen Freunden verbringen könnte? Was wäre, wenn er sich einfach überhaupt nicht mehr anstrengen würde, wenn er ab jetzt vor jeder Herausforderung flüchtete? Er würde für kurze Zeit sehr glücklich sein. Er würde sich fragen, warum er nicht schon sein ganzes Leben so verbracht hatte und würde infrage stellen, was das Leben mit Anstrengungen überhaupt für einen Sinn hatte. Die Sehnsucht nach einem solch einfachen Leben kochte heiß in ihm auf. Er wurde übermannt von seiner inneren Suche nach einem besseren Leben, einem Leben ohne die ständigen Probleme und Hindernisse, denen er im Alltag begegnete. Er sehnte sich danach, eine Pause zu machen und nicht mehr ständig das Gefühl zu haben, etwas leisten zu müssen. Er wollte ein Leben haben, in dem er nichts weiter war als ein ganz normaler Mensch, ohne besondere Fähigkeiten oder Leistungen. Fast gleichzeitig zu dieser Sehnsucht kam aber auch eine Erkenntnis in ihm auf, die den Gefühlskampf in ihm in der Vergangenheit schon zahlreiche Male strikt beendet hatte. Das Glück, das er in einem einfachen Leben verspüren würde, war nur kurzfristig. Es war eine Lüge, ein oberflächliches Konstrukt, das scheinbar alle Probleme löste. Sobald man jedoch einige Wochen oder vielleicht sogar Jahre so gelebt hatte, würde man merken, dass man sich geirrt hatte. Das Glück, das man durch Spiele oder geruhsames Dasein verspürte, war kein wirkliches Glück, sondern eine Farce, die einem ab einem bestimmten Zeitpunkt das Leben nahm. Schon nach kurzer Zeit würde er sich fragen, was sein sorgenfreies Dasein für einen Sinn hatte und würde sich wieder in sein jetziges Leben zurückwünschen. Wahres Glück kam nicht durch ein paradiesisches Dasein, es kam durch den Wechsel der Gefühle, es entstand durch ein Spüren des Menschseins selbst. Nur wenn man sich den alltäglichen Herausforderungen stellte und öfter Mal was Neues wagte, konnte man wirkliches Glück empfinden. Ein glückliches Leben entstand aus dem Streben nach Verbesserung. Die schmerzhafte Eigenschaft des Menschen, immer mehr zu wollen und immer mehr zu schaffen, war gleichzeitig die Quelle des Glücks. Nur durch das Streben nach hoch gesetzten Zielen bekam das Leben einen scheinbaren Sinn. Nur durch harte Arbeit und das Überwinden von Hindernissen spürte man, was Leben eigentlich bedeutete und konnte dieses wunderbare Gefühl dann mit anderen Menschen teilen. Nur wenn man selbst erfuhr, wie grausam und hart die Welt tatsächlich war, konnte man anderen Menschen wahre Liebe schenken und das Leben mit ihnen teilen. Solange man sich aber selbst belog und vor diesem harten Leben davonlief, würde man einem Irrweg nachgehen, der irgendwann in der bitteren Erkenntnis über ein ungenutztes Leben enden würde. Er spürte, wie sich diese Erkenntnis in seinem Denken ausbreitete und spürte zugleich eine tiefe Traurigkeit. Dieses Leben, das er sich so stark gewünscht hatte, war ein Trugschluss, es existierte schlicht und einfach nicht. Es war eine Selbstlüge, die er erfunden hatte, um dem harten Alltag des Lebens zu entkommen. Sobald er diesen Weg einschlagen würde und sich loslöste von all den Herausforderungen des Lebens, würde er sich endgültig dem Sinn seines Daseins entledigen. Das Streben nach einer besseren Welt schien hingegen der Anker des Glücks zu sein. Das Streben nach seinen Zielen und das Überwinden jeglicher Hindernisse auf dem Weg dorthin führten in das von ihm so sehnlich erwünschte Paradies. Es war schmerzhaft, hart und manchmal grausam, doch am Ende würde dieses Streben immer mit einem Lebensglück belohnt werden, das man auf keinem anderen Weg hätte erlangen können. Es war der tiefe Wunsch der Menschen, sich selbst zu verbessern, der letztendlich dazu führte, dass sie sich selbst so annehmen konnten, wie sie waren. Wirkliche Selbstakzeptanz folgte aus der ständigen Unzufriedenheit mit sich selbst.

Er schluckte und atmete wieder tief ein und aus. Er würde keinem Irrweg folgen. Er würde sich seinen ganz persönlichen Herausforderungen stellen und alle Hindernisse überwinden. Der Weg war das Ziel, mit jedem überwundenen Hindernis würde die Welt bunter werden und das Paradies ein Stück näherkommen. Er war sich sicher, dass sein Glück in der Erfüllung seiner Ziele zu finden war. Es war das Streben nach mehr, das Greifen nach den Sternen, das seinem Leben einen Sinn verlieh. Zuversichtlich und mit einem inneren, mächtigen Brüllen startete er den Motor und stellte sich den kommenden Herausforderungen.