Bild von NASA.
9) Über den Aktionsraum
Im achten Teil von Philoskopos wurde argumentiert, dass nur eine Beschleunigung des Ausführens von Aktionen als sinnvolles Handeln bezeichnet werden kann. Gleichzeitig wurde klar, dass eine solche Beschleunigung jedoch nicht möglich ist, da wir allein durch die Tatsache, dass wir leben, ohnehin schon kontinuierlich Aktionen ausführen und dieses Kontinuum auch nicht beeinflussen können. Allerdings weist der Aktionsraum bestimmte Strukturen auf, die hier näher erkundet und diskutiert werden.
Der Aktionsraum ist objektiv vorhanden und damit losgelöst von individuellen Fähigkeiten. Dieser Raum umfasst alle potenziellen Handlungen und beinhaltet die Dimensionen von Raum und Zeit. Um einen Ursinn zu finden, könnte es (recht abstruserweise) z. B. sein, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Raumstation in der Nähe des Pluto errichten und genau an diesem Ort alle zusammen einen alten Indianertanz aufführen müssen. Ohne die Sinnhaftigkeit eines auf diese Weise gefundenen Ursinns zu diskutieren, zeigt diese Vorstellung, dass der mögliche Aktionsraum also sowohl zeitliche als auch örtliche Dimensionen einschließt. Allerdings lässt sich der Aktionsraum stark vereinfachen. Mit der mechanistischen Annahme, dass all unsere Bewegungen, also jedes Spannen unserer Muskeln und damit auch jede unserer Aktionen ihren Ursprung im Gehirn haben, können wir den Aktionsraum auf eine zeitliche Abfolge elektrischer Signale reduzieren. Um den Ursinn in unserem weit hergeholten Beispiel des Pluto zu finden, würde dies bedeuten, dass wir von nun an eine Kette von Signalen produzieren müssten, die einerseits die Ideen hervorbringt, um die technischen Schwierigkeiten einer solchen Raumstation zu bewältigen und andererseits aber auch unsere Bewegungen steuert, um diese Ideen tatsächlich in die Tat umzusetzen. Wir müssten eine Kette von Signalen produzieren, die uns ein Raumschiff bauen lässt, mit dem wir an die spezielle Stelle zum Pluto fliegen, dort die Station bauen und dann zu dem bestimmten Zeitpunkt den Indianertanz aufführen. All das müsste zeitlich genau passen, wir müssten den Tanz zu genau dem Zeitpunkt aufführen, an dem sich uns der Ursinn offenbaren würde. Der Aktionsraum besteht also nur aus zeitlichen Folgen elektrischer Signale, die in unserem Gehirn produziert werden und unsere Aktionen in der räumlichen Welt widerspiegeln. Diese zeitlichen Folgen können wiederum vereinfacht werden, indem man annimmt, dass die vergangenen Aktionen keine Rolle spielen und die einzelnen Kettenglieder nicht von den vorherigen abhängen (die Markov-Eigenschaft). Im Prinzip können wir jede Zeiteinheit also für sich betrachten und nur auf einzelne Signale achten.
Nach der bisherigen Argumentation wäre die einzig sinnvolle Suchmethode ein Beschleunigen der Signale. Ohne objektive Hinweise auf zielführende Aktionen müssen wir annehmen, dass uns alle mit derselben Wahrscheinlichkeit zum Ursinn führen. Bisher sind alle unsere Tests jedoch auf einen winzigen Teil des Aktionsraums beschränkt. Schon allein die Tatsache, dass sich all unsere bisherigen Signale auf die Erde beziehen, zeigt, dass wir momentan nur einem kleinen Teil der möglichen Aktionen nachgehen. Außerdem kommen wir als recht unfähige Kleinkinder auf die Welt, die in den ersten Lebensjahren die Anzahl ihrer möglichen Aktionen rasend schnell vergrößern. Wie schon im dritten Teil von Philoskopos beschrieben, nimmt diese Expansion jedoch mit steigendem Alter ab und irgendwann leben wir in einem Aktionsraum konstanter Größe, in dessen Volumen wir die möglichen Signale nach und nach abgrasen. Der objektive Aktionsraum ist jedoch sehr viel größer. Die Signalketten, die uns dazu verleiten, unseren Planeten zu verlassen und das Universum zu erkunden, liegen momentan außerhalb unserer Reichweite. Zwar sind in dem für uns erreichbaren Aktionsraum unendlich viele mögliche Signalkombinationen vorhanden, allerdings beschreibt die Anzahl der Aktionen außerhalb unserer Möglichkeiten eine viel größere Unendlichkeit.
Mit der Annahme, dass alle Aktionen eine gleiche Wahrscheinlichkeit tragen, ist die Schlussfolgerung, dass die Aktionskette die uns zum Ursinn führt, mit hoher Wahrscheinlichkeit außerhalb unserer momentanen Möglichkeiten liegt. Anstatt in einem konstant großen Aktionsraum zu verbleiben, ist es damit also sinnvoll, diesen Raum zu vergrößern und idealerweise das vollständige, objektive Volumen zu nutzen. Diese Folgerung hat wiederum Konsequenzen für unseren Alltag. Nach dieser Argumentation sollten wir uns nämlich auf diejenigen Signale konzentrieren, die uns neue Fähigkeiten verschaffen und den Raum unserer Möglichkeiten vergrößern. Wir sollten uns auf das Lernen konzentrieren, auf das Aufbauen neuer Fähigkeiten und auf ein tieferes Verständnis unserer Umgebung. Nur so können wir es schaffen, den objektiv vorhandenen Raum von Möglichkeiten voll auszunutzen. Eine Grenze, die uns momentan stark beschränkt, ist die Grenze unseres Planeten Erde und die Tatsache, dass wir uns nur auf diesem einen Himmelskörper bewegen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Ursinn außerhalb dieser planetaren Grenzen liegt, ist angesichts der Größe des Universums sehr hoch. Daher ist es unabdingbar für uns, diese Grenze zu überwinden und eine Spezies zu werden, die nach den Sternen greift und anfängt, im ganzen Universum nach dem Ursinn zu suchen.