4) Die Suche
Der „Motor des Fortschritts“, das Duo von Streben nach einem exakten Modell der Außenwelt und der Fehlerkorrektur als Werkzeug, um dieses Modell zu schaffen, treibt uns an Fragen zu stellen. Doch viel zu selten wird dieser Prozess selbst infrage gestellt. Immerhin haben wir uns nicht freiwillig gemeldet, all diese Informationen in uns aufzunehmen, sondern wurden ungefragt in die Welt hineingeworfen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wachen wir in dieser unbekannten Welt auf, werden Jahre lang mit Informationen bombardiert und hören dann scheinbar wieder auf zu existieren.
Warum?
Warum sind wir hier?
Haben wir einen bestimmten Zweck, einen Sinn?
Diese Fragen gehen im Alltag normalerweise unter. Wir sind zu sehr damit beschäftigt, Informationen zu verarbeiten und darauf zu reagieren. Wir diskutieren über gesellschaftliche Meinungen und politische Ansichten. Den Fakt, dass all diese Diskussionen im Grunde willkürlich sind, blenden wir aber aus. Z. B. haben Menschen meist einen starken Drang nach Gerechtigkeit. Wir wollen, dass jeder Mensch die gleichen Rechte hat und vor dem Gesetz gleichbehandelt wird. Wir verankern diesen moralischen Grundsatz in unseren Verfassungen und diskutieren darüber, wie wir eine solche Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft tatsächlich durchsetzen können. Wir streiten über mögliche Maßnahmen, die einen wollen z. B. mehr Gerechtigkeit beim Einkommen und gleiche Löhne für alle, die anderen vertreten die Ansicht, dass Löhne an den tatsächlichen Output der Arbeit gekoppelt werden sollten. Viel zu selten erkennen wir jedoch die Tatsache an, dass all diese Meinungen rein menschlichen Charakter haben. Kein moralisches Gesetz ist objektiv oder von universeller Bedeutung. Die meisten moralischen Gesetze entspringen unserem eigenen Wohlbefinden. Wir wollen uns gut fühlen und sind emphatisch. Daher wollen wir, dass auch andere Menschen sich gut fühlen. Ungerechtigkeit führt oft zu negativen Emotionen, die wir vermeiden wollen und deshalb Gerechtigkeit als moralischen Pfeiler aufstellen. Im Grunde basiert dieser Pfeiler jedoch rein auf unseren Emotionen, wir bauen unser moralisches Fundament auf der Tatsache, dass wir einem ständigen Fluss von Neurotransmittern ausgesetzt sind, die unser Wohlbefinden bestimmen. Gerechtigkeit an sich hat keinen objektiven Wert. Das Universum kümmert sich nicht darum, ob alle Menschen gleichbehandelt werden. Objektiv gesehen kennen wir keinen Grund, Gerechtigkeit über Ungerechtigkeit zu stellen, wir kennen keinen Grund, alle Menschen gleich zu behandeln, genauso wie wir keinen Grund kennen, alle Menschen ungleich zu behandeln. Rein die Tatsache, dass die Zeit voranschreitet und wir Entscheidungen fällen müssen, treibt uns dazu, bestimmten Regeln zu folgen und beim Aufstellen dieser Regeln lassen wir uns meist durch unsere Biologie leiten. Alle Entscheidungen könnten wir jedoch genauso gut anders fällen, dem Universum sind unsere Entscheidungen vollkommen egal.
Uns fehlt eine objektive Begründung unserer Entscheidungen. Sobald wir diesen Fakt erkennen, beginnen wir mit der Suche danach, wir stellen die Frage nach dem „Warum“. Wir versuchen hinter all unserem Handeln und hinter der bloßen Tatsache unserer Existenz einen Sinn zu finden. Etwas Objektives, auf dem wir unsere Argumente gründen können. Von der Außenwelt sind wir es gewohnt, dass jedes Ereignis andere Ereignisse zur Folge hat. Wir sind es gewohnt, dass die detektierten Informationsmuster voneinander abhängig sind, dass alles bestimmten Regeln folgt und einen Grund hat. Dementsprechend hat auch unsere eigene Existenz einen Grund und damit vielleicht auch einen Sinn. Der „Motor des Fortschritts“ treibt uns an diesen Sinn zu suchen.